Zum «Astrostat»
und dessen Geschichte bis heute
Ein Bericht
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[Archivalie – Juli 2015]
Das Astrostat – zur Erinnerung an dessen Geschichte
aus «historischem Gewissen» niedergeschrieben
von Heide Vetter (Überlingen am 15. März 2015)
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Die Übertragung des Manuskriptes (erstellt anlässlich eines Kolloquiums zum «Astrostat» am 16.3.2015 in der WALA , Bad Boll) wurde von Carsten Tiede vorgenommen. Es folgt hier eine später durch den «Archivverlag Agraffe» leicht überarbeitete und erweiterte Fassung.
Eine ausführliche Bibliografie findet sich an anderer Stelle. Ebenso eine Übersicht über die diversen, für den sog. Astrostat[en] relevanten Nachlässe (von Joachim Schultz, Suso Vetter und Wolo Wundt), samt weiteren Abbildungen zu den genannten Apparaturen.
↩︎ Elisabeth Vreede (sitzend), dahinter Joachim Schultz. daneben Nina Ruthenberg
am 18. April 1935 in dem neuen Raum Holleweg 10, Arlesheim/Schweiz
am Tag des Auszugs aus dem Goetheanum in Folge der Generalversammlung April 1935 [© AA]
1929–1935: Aufgrund von Hinweisen Rudolf Steiners im Vortrag vom 25.11.1917 (GA 178) wurde am Goetheanum an der ca. 1927 errichteten kleinen «Sternwarte» unter der Sektionsleiterin Elisabeth Vreede (1879–1943) durch Joachim Schultz (15.02.1902–2.7.1953) die Forschung auf astronomischen Felde begonnen.
«Die äussere Veranlassung zur Arbeit ergab sich im Jahr 1928/29 im Verlauf von damaligen wöchentlichen Zusammenkünften eines kleinen Mitarbeiterkreises der math.-astronom. Sektion; regelmässige Teilnehmer waren nur Frl. Dr. [Elisabeth] Vreede, Herr [Paul Eugen] Schiller, Herr [Wolo] Wundt und ich. Hier kam u.a. die Frage nach ev. möglichen experimentellen Arbeiten an der Sternwarte zur Besprechung.»
«Es ist Egoismus im weitesten Sinne, jedoch wohl ein berechtigter, dass bewusst in einem Zusammenhang mit der Sternwarte (wenigstens in einem ev. zu besprechenden Grade) die Experimente Wundts gemacht werden möchten. Die Sternwarte ist noch nicht als Eigenwesen, als Glied des Goetheanum so ganz da. Als solches sollte sie einmal klipp und klar anerkannt werden. Das ergibt die Basis für freie Mitarbeit mit den anderen Laboratorien. Zumal bei der gegenwärtigen Gesellschaftssituation ist es einfach gegeben, drauf zu achten.»
[Joachim Schultz, Gespräch mit Herrn Wolo Wundt, 22.III.1931 (aus Mappe «Sonstige Unterlagen», Bestand Archiv am Goetheanum)]
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Mit einem nach seinen Angaben konstruiertem «Tierkreisrad», mit 12 Korkkästen in je eine Tierkreisrichtung ausgerichtet, gegen den Himmelspol orientiert, rotierend in 23h 56‘ Sternenzeit, wurden unter freiem Himmel in Dornach Versuche unternommen:
• zur Erfassung der Wirkungen von Tierkreiskräften
• zur Erfassung der Wirkungen von Tageszeitkräften
• zur Erfassung planetarischer Kräftewirkungen.
Beispiele:
• Sonne- und Mond-bestrahltes Wasser für Fischzüchtung
• Eisblumenbildung unter Planeteneinflüssen
• Keimung von Samen auf Zellstoff.
Dies war die Phase der naturwissenschaftlich-experimentellen Pionierzeit im organischen und anorganischen Bereich.
1948: Joachim Schultz fordert den Geologie-Studenten und Sternenfreund Suso Vetter (16.12.1924–24.05.1992) zur Mitarbeit für neue Versuche mit dem Tierkreisrad auf:
• Keimung von Samen
• Mondlauf durch den Tierkreis
• Bestrahlungsversuche mit Planetenlicht
• Analyse von Substanzbildungs-Prozessen.
↩︎ Joachim Schultz mit seiner «Sternkarte» (1933) [© MfG Heide Vetter]
1951: Joachim Schultz veröffentlicht nichts mehr, da die sog. Wissenschaftlichkeit seiner Forschung [zu Unrecht] in Frage gestellt wurde.
1953: Joachim Schultz stirbt mit 51 Jahren am 2.7.1953. Und Suso Vetter wird vom Vorstand am Goetheanum in die Mathematisch-astronomische Sektion berufen. Neben der Herausgabe des → Sternkalenders entsteht eine neue → Sternkarte, und aus → nachgelassenen Notizen von Joachim Schultz das → Buch «Rhythmen der Sterne» (hrsg. von Suso Vetter, Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum, Dornach 1985) [bisher drei Auflagen, zur Zeit leider vergriffen]. Die Forschung wird weitergeführt und die Sternkarte herausgebracht (gebaut nach dem System von Joachim Schultz).
1957: Neues verbessertes Tierkreisrad «Astrostat» mit 4 Korkkästen auf Fische – Jungfrau und Zwillinge – Schütze orientiert, dies mit Hilfe vor allem von Ing. Wolo Wundt (1891–1983). Neben Keimversuchen auf Zellstoff jetzt auch Versuche in Schalen mit Erde, damit längere Wachstumsbeobachtungen möglich sind. Der Schwerpunkt liegt im organischem Bereich: Wachstum und Substanzbildung. Separates kleines Gehäuse für das «Astrostat», so dass die Versuche unabhängiger vom Wetter durchgeführt werden können.
1957/58: Suso Vetter erbaut durch eigens dafür gegebene Spenden die → «Kepler-Sternwarte» in Dornach. Einweihung 1958 durch den Vorstandsvorsitzenden Albert Steffen (1884–1963).
1961: Erste vorläufige → statistische Auswertung des Vorkriegs-Forschungsmaterials durch Georg Unger (1909–1999).
1966: Suso Vetter verlässt Dornach und geht auf Vortragsreisen (Schwerpunkt Skandinavien und Norddeutschland). Das Astrostat ist defekt und kein Spender in Sicht.
1968: Suso Vetter siedelt an den sog. Engelberg um, an die dortige Freie Waldorfschule. Tätigkeit als Oberstufenlehrer; er kreiert eine neue Unterrichtsepoche «Kosmologie» als Abschluss für die 12. Klasse, schafft nebenher den Boden für eine neue Versuchsanlage.
1978: Ein neuer wiederum verbesserter «Astrostat» wird im → Schulgarten aufgebaut (Konstruktion nach Angaben von Suso Vetter durch Dr. Hopf, Nördlingen). Die Waldorfschule zeigt Entgegenkommen, der Neubeginn wird nach eingehender Prüfung vor allem von der → Mahle-Stiftung gefördert, sodass neben der Schultätigkeit ein kleiner Freiraum für die entsprechenden Forschungen möglich wird.
1979: Beginn der neuen Versuchsreihe u.a. mit Roggen-Samen und bestrahltem Wasser. Dazu Freiland-Auspflanzungen und Folgeaussaaten. Zu den 4 Kästen kommt jetzt ein Kontrollkasten hinzu, plus ein offener Doppelkasten in Richtung Fische – Jungfrau (vgl. wiederum R. Steiners Vortrag vom 25.11.1917).
Statistische Auswertung des → vorliegenden Materials aus der Forschungszeit in Dornach durch Dr. Unger (Bestätigung der früheren Auswertung: Schütze-Kräfte begünstigen das Wachstum von Spross und Wurzel). Diese wissenschaftlich anerkannte Prüfung und die Tatsache, dass die Mahle-Stiftung die Arbeit mit dem Astrostat als unterstützungswürdig anerkennt, stellt die Basis für ein systematisches Neuergreifen der Versuche dar.
Helfer sind u.a.: Michael Hertel, Gartenbaulehrer; Herr Koch, Entwicklungs-Ingenieur bei Daimler, Stuttgart; Theodor Schwenk (1910–1986) u.a. für schlierenoptische Versuche; Herr Reinecke, Frau Eiben u.a.m. von der Weleda für kapillar-dynamische und Kristallisations-Untersuchungen. Sehr interessiert an der Forschung zeigten sich auch Maria Thun (1922–2012) und Maja Mewes (1909–1996), Laborleiterin bei Wala, Bad Boll.
↩︎ ein ausgewähltes Notizblatt von Joachim Schultz …

↩︎ Der «Astrostat» ausser Betrieb im Andreashof … [Foto © M.G.]
1986: Veröffentlichung einer → Zusammenschau der Forschung von Joachim Schultz in den Mathematisch-Astronomischen Blättern (mit einigen unveröffentlichten Arbeiten von 1935). [PDF folgt]
1991: Erster → schriftlicher vorläufiger Bericht über die Arbeit am Engelberg in der Zeitschrift Elemente der Naturwissenschaft (Suso Vetter: Vorläufige Mitteilung über Tierkreisversuche mit dem Astrostat, Nr. 55, Heft 2/1991, S. 62–76). [PDF folgt]
1992: Erste öffentliche Darstellung der Forschungsarbeit durch Suso Vetter im Rudolf Steiner Haus in Stuttgart anlässlich der Jahrestagung der → «Arbeitsgemeinschaft der Naturwissenschaftler der Anthroposophischen Gesellschaft» in Deutschland (am 15.2.1992, zufällig oder nicht am 90. Geburtstag von Joachim Schultz).
Suso Vetter stirbt am 24.5.1992. Friedward Kurras, Engelberg, will sich nach ihm um das Astrostat kümmern.
1996: Treffen von Interessenten am Astrostat, u.a. mit Vertretern der → «Mathematisch-astronomischen Sektion am Goetheanum»: Georg Glöckler (Sektionsleiter) und Wolfgang Held, Wolfram Schwenk, Herrischried, Michael Kalisch, Tübingen, Jörg Schröder, Ruhrgebiet, Michael Hertel, Friedward Kurras und Heide Vetter, Engelberg – vermittelt durch Carsten Tiede (Gartenbaulehrer aus Tübingen).
Es wird der Beschluss gefasst: das «Astrostat» bleibt aus finanziellen Gründen zunächst am Engelberg; die Verantwortung wird Michael Hertel übergeben, zusammen mit Friedward Kurras (der noch keine Sichtung des Versuchsmaterials vorgenommen hatte). Sodann wurde nahezu das → gesamte Material in die Mathematisch-astronomische Sektion, mit der Suso Vetter ja Zeit seines Lebens verbunden war, und damit ans Goetheanum gebracht, dies vorerst zu Händen von Wolfgang Held. [Und in der sog. Keplerwarte aufbewahrt.]
Der Plan von Michael Hertel, in Witten-Annen zusammen mit den dortigen Studenten mit dem Astrostat weiter zu forschen, scheitert. Mit seiner Übersiedlung an den Bodensee erfolgt die Unterbringung des Astrostat[en] in einer Scheune am Andreashof in Überlingen.
2013: 21 Jahre nach dem Tode von Suso Vetter taucht aus geschichtlicher Sicht wieder ein vermehrtes Interesse am sog. Astrostat auf. Ein «Archivspezialist» aus Basel arbeitet den → Nachlass von Joachim Schultz zunächst weitestmöglich auf. [Dieser befindet sich mittlerweile im Keller des → Archiv am Goetheanum, Teile indes noch immer «in privater Hand», worunter auch → etliche Fotos.]
[Jona Schultz (* 11.8.1936), die Tochter und einziges Kind von Friedlies und Joachim Schultz, zuletzt wohnhaft in Kreuzlingen, geht am 27. August 2011 durch die Pforte des Todes.]
2014: Im Jahre des 90. Geburtstags von Suso Vetter erfolgt eine Besichtigung des Astrostats am → Andreashof durch eine Wala-Delegation (mit Markus Giesder u.a.).
2015: Zuletzt Wolfgang Findeisen (von der → Firma ReLux) trägt sich mit dem Gedanken, das aktuell nicht mehr fuktionstüchtige Astrostat eventuell bei seinen Forschungen in Frickingen am Bodensee einzusetzen. [Zudem wird die Publikation Organische Uhrsachen – Kunstuhren «Made in Dornach» (Erscheinungstermin ca. 2016) auch ein Kapitel zu J. Schultz’s «Astrostat» vorweisen. Dieses mehr dokumentarische Buch will das grundlegende von Reinhold J. Fäth: DornachDesign – Möbelkunst 1911 bis 2011 (Futurum Verlag 2011) entsprechend ergänzen.]
↩︎ Blick auf den heutigen Joachim Schultz-Nachlass [Bibliothek am Goetheanum]
Man kann naheliegender Weise sowohl von das «Astrostat» (Neutrum, wie z.B. das Fernrohr) als auch von der «Astrostat» (männlich, wie z.B. der Hammer) sprechen, denn bis dato gibt es noch keine quasi allgemeingültige, diesbez. verbindliche Sprachregelung.
Nähere biografische Angaben zu div. oben genannten Persönlichkeiten sind online nachzuschlagen via → «Biographien Dokumentation» der Forschungsstelle Kulturimpuls.
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Der Nachlass von [Albert Achim] Joachim Schultz (der ja in jenen von Suso Vetter gleichsam übergeht) harrt der weiteren Erarbeitung, dann ggf. Publikation (ausgewählter, heute weiter relevanter Betrachtungen und Forschungsergebnissen). Besonders ein weiterer Teilbestand, nämlich jener mit der Signatur B.05.006.001 bis 009 zu «Versuche: Tierkreisversuche» (1958 bis insges. 1990) in den entsprechenden Archiv-Schubern im Archiv am Goethenum sollte indes zuvor ebenso gründlich gesichtet, detailliert aufgelistet, dann exzerpiert und ausgewertet werden. Dazu die bis heute umstritten gebliebene Copyright-Situation einvernehmlich geklärt werden – dem weiteren Studium bzw. der angemessenen weiteren Verbreitung des einzigartigen Gedankenkosmos’ dieses so einfühlsamen «Pioniers einer anthroposophisch orientierten Bildekräfteforschung» zuliebe.
Ergänzende Literaturangabe
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• Armin Scheffler: Aspects of Morning and Evening Processes and Their Appllication in Pharmaceutics,
Original title: «Zum Verständnis der Morgen- und Abendprozesse und ihrer Anwendung in der Heilmittelherstellung», Mitteilungen der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland)
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→ hier herunterladen [PDF folgt]
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(English by A. R. Meuss, FILMTA) [aus → AnthroMedLibrary]
«Joachim Schultz and Suso Vetter, who have been working extensively with astronomical and astrological questions, carried out plant growth experiments designed to show that differences occur if the orientation is on a particular sign of the zodiac when working with a special apparatus (Astrostat). (5) This has been the second attempt to demonstrate the truth of Rudolf Steiner’s statements concerning the signs of the zodiac by means of apparatus. Extensive experiments in this field have been done for many years, both in Domach and at the Engelberg, and Vetter thinks he has succeeded in showing statistically significant differences in the behavior of plants exposed to Virgin and Archer. This is not in accord with Rudolf Steiner’s statements, however, and the objection must be raised that nothing forces the experimenter to establish rhythmic alternation between exposure to Fishes and exposure to Virgin. The question is: does this change in the wording agree with what Steiner meant when he spoke of morning and evening processes and of midnight or midday processes?»
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References
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(5) Vetter S., Vorläufige Mitteilung über Tierkreisversuche mit dem Astroste, [ehemals] internes Manuskript der Mathematisch-Astronomischen Sektion am Goetheanum, Domach/Engelberg 1991.
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→ hier herunterladen [PDF folgt]
Ergänzende Literaturangabe II
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• Henning Benecke: Organische Uhrsachen – Kunst-Uhren aus Dornach,
…Futurum Verlag, Basel 2016
.. ca. 240 S. | ISBN 978-3-85636-250-8 [siehe die Verlags-Voranzeige]
..Mit einem Kapitel zum Astrostat von Joachim Schultz …
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